Tarifpolitik ist ein Alleinstellungsmerkmal von Gewerkschaften. Nur sie dürfen Tarifverträge abschließen, nur sie können auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber verhandeln. Dabei garantieren die im Grundgesetz verankerte Tarifautonomie und das Tarifvertragsgesetz den verhandelnden Parteien das Recht, spezielle Unternehmensregelungen abzuschließen.
Und nur Gewerkschaften verfügen mit ihren Mitgliedern und dem Streikrecht über ein Druckmittel, um die Forderungen auch tatsächlich gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen. Denn eins ist klar: Tarifverhandlungen sind immer auch ein Kräftemessen.
Welche Ergebnisse Gewerkschaften am Ende erzielen können, hängt von den Beschäftigten in den Unternehmen ab. Je mehr Arbeitnehmer/innen gewerkschaftlich organisiert sind, desto mehr Durchsetzungsmacht hat die verhandelnde Gewerkschaft und desto bessere Tarifverträge können ausgehandelt werden.
Welche Forderungen aufgestellt und in die Verhandlung eingebracht werden, wird ebenfalls von gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten in der Tarifkommission entschieden.
Erwin Gilbert verhandelte für ver.di Tarifverträge u.a. bei T-Systems, Unitymedia, Media Broadcast und Sireo.
Wie läuft so eine Tarifverhandlung konkret ab?
Als erstes entwickeln wir gemeinsam mit unseren Mitgliedern die Forderung und bilden unsere Verhandlungskommission aus Gewerkschaftsmitgliedern im Unternehmen und einem Gewerkschaftssekretär als Verhandlungsführer. Diese Verhandlungskommission wird dann vom Bundesfachgruppenvorstand beschlossen.
In der Tarifverhandlung sitzen sich dann die Verhandlungskommission der Arbeitgeberseite und die ver.di-Verhandlungskommission der Arbeitnehmerseite gegenüber.
Wenn wir die Partei sind, die mit einer Forderung auftritt, eröffnen wir die Verhandlungsrunde, in der wir unsere Forderung vorstellen und mit Wirtschafts- und Unternehmensdaten begründen. Meist nimmt die Arbeitgeberseite dies zur Kenntnis und kommentiert unsere Forderung vielleicht noch kurz. Die ausführliche Antwort mit einem Gegenvorschlag gibt es dann aber in der Regel erst in der nächsten Verhandlungsrunde. Je nachdem wie hoch das Konfliktpotenzial ist, gibt es mehrere Runden, in denen man dann versucht, sich anzunähern.
Was ist, wenn der Arbeitgeber auf stur schaltet?
Unsere Durchsetzungsfähigkeit hängt davon ab, dass wir viele Mitglieder haben, die auch bereit sind, aktiv zu werden. „Übrigens, die Belegschaft ist gewerkschaftlich gut organisiert und steht engagiert hinter uns“, zeigt oft Bewegung auf der Arbeitgeberseite. Denn wenn die Beschäftigten geschlossen auftreten, haben sie die Macht, ihre berechtigten Forderungen mit durchzusetzen.
Und wie wird am Ende entschieden, ob das verhandelte Ergebnis angenommen wird?
Die Verhandlungen werden von der Verhandlungskommission geführt. Wenn ein Ergebnis steht oder ein letztes Angebot der Arbeitgeberseite vorliegt, spricht die Verhandlungskommission eine Empfehlung aus, dieses Ergebnis anzunehmen oder abzulehnen. Das geht dann in die Fachgruppe von ver.di, wo ehrenamtliche Mitglieder prüfen, ob das Ergebnis mit den tarifpolitischen Richtlinien vereinbar ist. Denn wir von ver.di haben bestimmte Standards definiert, die wir nicht unterschreiten wollen.
Die Entscheidung wird also auf zwei Ebenen getroffen: von der ver.di-Verhandlungskommission und von der Fachgruppe, die einen Querschnitt durch die IT-Branche abbildet. Wichtig ist: die Entscheidungen treffen die ehrenamtlichen Gewerkschafts-Mitglieder in den Vorständen.
Ich bin seit 1996 gewerkschaftlich bei ver.di organisiert – weil wir nur gemeinsam gute Arbeitsbedingungen in der IT-Branche durchsetzen können. Wichtiges gewerkschaftliches Thema ist es momentan, den Mindestlohn durchzusetzen. Denn gute Arbeit verdient Anerkennung. Und muss ein gutes Leben ermöglichen.
Holger L., IT-Systemingenieur, Leipzig
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